Die Pferdeklappe – Wenn alle Stricke reißen.

So sehr man sich mittlerweile an die traurigen Bilder gewöhnt hat, die sich nicht selten wiederholen, sei es der verlassene Hund angebunden vor dem Supermarkt oder an der Autobahnraststätte oder Katzen in Kartons vor Tierheimen oder Hauseingängen. All jene finden meist im Tierheim ihr neues, vorübergehendes Zuhause, ein Dach über dem Kopf und eine Mahlzeit. Doch was passiert mit Pferden, wenn ihre Besitzer:innen sie nicht mehr versorgen können? Genau hier setzt die Idee der Pferdeklappe an. In Deutschland gibt es mittlerweile einige solcher Einrichtungen, die vernachlässigte, alte oder nicht mehr gewollte Pferde anonym aufnehmen und weitervermitteln. 

Ähnlich wie eine Babyklappe können Besitzer:innen ihre Pferde anonym abgeben. Sie bringen das Tier dann beispielsweise auf eine explizit dafür ausgewiesene Koppel und werfen die notwendigen Papiere in den dafür vorgesehenen Briefkasten. Lediglich um eine kurze Nachricht an eine dort hinterlegte Telefonnummer wird gebeten, dass die Betreiber:innen auch wissen, dass sich ein neues Tier in ihrer Obhut befindet. In dem neuen Zuhause auf Zeit angekommen, werden die Tiere oft erst einmal untersucht und anschließend gut versorgt. Ziel ist es, für jedes Pferd ein neues, passendes Zuhause zu finden. Die Betreiber:innen sind nicht selten engagierte Tierschützer:innen, die mit Spenden und viel Herzblut versuchen, das Beste für die Tiere herauszuholen.

Die traurige Realität: Warum Pferde abgegeben werden

Die Gründe, warum Pferde in einer Klappe landen, sind vielfältig. Manche Besitzer:innen geraten in finanzielle Not, andere haben ein krankes oder altes Tier, das sie nicht mehr versorgen können. Es gibt aber auch Fälle, in denen ein Pferd nach einer sportlichen Karriere „aussortiert“ wird oder einfach die Lust am Hobby verloren geht. Wie auch bei anderen Tieren, sollte man sich eine Anschaffung genau überlegen und auch die Verantwortung abwägen, die damit einhergeht. Nicht zuletzt ist der finanzielle Aspekt auf keinen Fall zu unterschätzen, denn ein Pferd kostet im Schnitt 400 bis 800 Euro im Monat – und das kann sich nicht jeder auf Dauer leisten.

Nicht jeder findet die Idee der Pferdeklappe gut. Kritiker sehen die Gefahr, dass sich Besitzer:innen aus der Verantwortung stehlen. „Wer ein Tier anschafft, muss sich bewusst sein, dass er jahrelang Verantwortung trägt“, heißt es von Gegnern des Konzepts. Es gibt auch Befürchtungen, dass die anonyme Abgabe den illegalen Pferdehandel fördert. Dennoch fragt man sich, was wäre, wenn es solche Optionen nicht gäbe, was ungefähr gleichzusetzen wäre mit der nicht vorhandenen Verfügbarkeit von örtlichen Tierheimen. Ohne die Klappe würden wahrscheinlich viele Pferde verwahrlosen.

Laut Schätzungen gibt es in Deutschland über eine Million Pferde. Jährlich landen Hunderte in Auffangstationen, darunter auch über die Pferdeklappen. Exakte Zahlen sind schwer zu ermitteln, da viele Einrichtungen auf Anonymität setzen. Klar ist aber: Die Nachfrage nach solchen Rettungsplätzen steigt.

Hilfsangebote und Förderungen

Die Abgabe eines Tieres sollte immer die letzte Option bleiben. Insbesondere, wenn die primären Gründe finanzieller Natur sind, gibt es eine Vielzahl an Unterstützungsangeboten, die in einer misslichen Lage aushelfen könnten. Darunter zum Beispiel:

  • Pferdeschutzvereine: Organisationen wie die „Pferdeschutz-Initiative 2000 e.V.“ oder „Equiwent – Schmiede ohne Grenzen“ bieten finanzielle oder praktische Unterstützung für notleidende Pferdebesitzer:innen.
  • Notfallfonds für Pferdehalter:innen: Einige Tierschutzverbände oder private Initiativen bieten finanzielle Hilfen für Futter- oder Tierarztkosten an.
  • Gnadenhöfe mit Patenschaftsmodellen: Wer sein Pferd nicht mehr selbst versorgen kann, hat eventuell die Möglichkeit, es gegen eine monatliche Spende in einem Gnadenhof unterzubringen.
  • Tierärztliche Unterstützung: Manche Tierärzt:innen bieten Ratenzahlungen oder ermäßigte Behandlungen für in Not geratene Pferdebesitzer:innen an.

Rechtliche Aspekte bei der Abgabe

Wer letztlich keine andere Möglichkeit sieht, als das eigene Pferd abzugeben und andere Optionen wie Weiterverkauf oder Weitergabe im Bekanntenkreis bereits verworfen hat, der sollte bei der Abgabe an der Pferdeklappe noch einige wichtige Aspekte beachten. Auch wenn die Abgabe anonym erfolgt, bitten viele Betreiber:innen dennoch darum, das Tier anzumelden, damit man sich bestmöglich auf dessen Ankunft und weitergehende Verpflegung einstellen kann. Auch müssen bei Abgabe bestimmte Kriterien und Dokumentationen vorhanden sein, um eine reibungslose Abwicklung zu gewährleisten:

  • Equidenpass: Jedes Pferd muss mit einem gültigen Equidenpass abgegeben werden. Ohne diesen ist eine Weitervermittlung oft nicht möglich.
  • Eigentumsnachweis: Falls das Pferd nicht auf den Namen des Abgebers eingetragen ist, kann eine Vollmacht oder ein Kaufvertrag erforderlich sein.
  • Vertragliche Regelungen: In manchen Fällen verlangen Pferdeklappen oder Auffangstationen eine offizielle Abtretungserklärung, um sicherzustellen, dass das Pferd nicht später zurückgefordert wird.
  • Haftungsfragen: Nach der Abgabe übernimmt die Organisation die Verantwortung, jedoch sollte vorher geklärt werden, ob es vertragliche Klauseln gibt, die eine Nachhaftung des früheren Besitzers vorsehen.

Eine der bekanntesten Pferdeklappen Deutschlands ist die Pferdeklappe Schleswig-Holstein e.V. mit Sitz in Norderbrarup. Inzwischen haben die Betreiber:innen sogar den eigenen Podcast “Mach die Klappe auf Pferd” herausgebracht, der einen Einblick gibt hinter die Kulissen der Pferdeklappe e.V. von Rettungsaktionen, Herausforderungen und besonderen Momenten, sowie wertvollen Tipps rund ums Pferd und die Vorstellungen der Menschen, die hinter der Vereinigung stehen. Auch der Gnadenhof & Wildtierrettung Notkleintiere e.V. mit Standort in Bayern, sowie die Pferdeschutz-Initiative 2000 e.V. setzen sich aktiv für den Schutz und die Vermittlung von Pferden ein.

Fazit: Ein Kompromiss zwischen Verantwortung und Hilfe

Die Pferdeklappe ist keine perfekte Lösung, aber sie ist eine notwendige. Sie gibt Tieren eine zweite Chance, die sonst vielleicht ein tragisches Schicksal erleiden würden. Trotzdem muss, wie bei anderen Tierarten auch, der Fokus darauf liegen, dass die Besitzer:innen sich ihrer Verantwortung bewusst werden – denn jedes Pferd verdient mehr als nur eine kurzfristige Lösung.

Über Victoria v. Holtzapfel

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