Die Vermittlung von Tieren aus dem Ausland: Tierschutz oder Tierleid?

Von geretteten Seelen und neuen Sorgen: Warum die Vermittlung von Auslandstieren so umstritten ist – und was wirklich zählt.

Einer leider allzu bekannte Szenerie: Eine Familie entdeckt eine kleine Hündin über einen Instagram-Post einer Pflegestelle aus dem Ausland und entscheidet sich dafür, das Tier zu adoptieren. Sie ist eine von vielen Straßenhunden, die über eine Tierschutzorganisation nach Deutschland gebracht wurden. In Deutschland angekommen, zeigt sich dann nicht selten die Kehrseite: die Tiere sind oft traumatisiert, zeigen massive Angstreaktionen, können nicht allein bleiben und haben oft in ihrem bisherigen Leben kein richtiges Zuhause gekannt. Dies führt nicht selten zu Überforderung auf Seiten der neuen Halter:innen. Im schlimmsten Fall landet das Tier dann wieder in Deutschland im Tierheim, als Sorgenfellchen. Was als gute Tat begann, wird zur Belastung – für beide Seiten. 


🐶 Warum Auslandstierschutz wichtig ist – Die Pro-Seite

In vielen europäischen Ländern, darunter Rumänien, Bulgarien, Spanien oder Griechenland, leben tausende Hunde und Katzen auf der Straße. Dort erwartet sie oft ein entbehrungsreiches Leben – geprägt von Hunger, Krankheiten, Gewalt und Tötungsstationen. Die gesetzlichen Tierschutzstandards vor Ort sind oft unzureichend oder werden kaum durchgesetzt. Viele lokale Tierfreunde versuchen, mit privaten Tierheimen und Spendenhilfe gegen das Elend anzukämpfen – häufig mit deutschen oder internationalen Partnern.

Organisationen wie Vier Pfoten, TASSO e.V., ProDogRomania oder kleinere lokale Vereine leisten wichtige Arbeit:

  • Sie retten Tiere aus Tötungsstationen
  • Lassen sie medizinisch versorgen und kastrieren
  • Vermitteln sie ins Ausland – oft mit Nachkontrollen und Vorbereitungen

Diese Arbeit rettet konkret Leben – und sie füllt Lücken, die durch fehlenden Tierschutz in den Herkunftsländern entstehen.


⚖️ Die Kehrseite – Kritik am Auslandstierschutz

Trotz guter Absichten gibt es wachsende Kritik – und nicht nur von Tierheimen. Der Deutsche Tierschutzbund warnt: „Die unkontrollierte Vermittlung von Auslandstieren kann neue Tierschutzprobleme schaffen, statt sie zu lösen.“

Die häufigsten Kritikpunkte:

  • Überforderung der Halter:innen: Viele Tiere sind traumatisiert, haben nie in einem Zuhause gelebt und benötigen erfahrene Betreuung.
  • Überlastete Tierheime: Immer mehr Rückläufer landen nach gescheiterten Adoptionen in deutschen Tierheimen, die ohnehin unter Platz- und Personalmangel leiden.
  • Illegale Transporte: Nicht jeder Transport ist seriös – manche Tiere werden unter falschen Angaben, krank oder zu jung importiert. Das verstößt gegen die geltenden Vorschriften.
  • Verdrängung lokaler Tierschutzarbeit: Der Fokus auf die Tiere aus dem Ausland kann Tiere aus deutschen Tierheimen unsichtbar machen.

📜 Rechtlicher Rahmen: Was ist erlaubt – und was nicht?

Die Vermittlung von Tieren aus dem Ausland unterliegt der EU-Tierseuchenverordnung (VO (EU) 2016/429) und in Deutschland zusätzlich dem Tierschutzgesetz (TierSchG) sowie der Tierschutz-Hundeverordnung (TierSchHuV).

Wichtige Punkte:

  • Tiere müssen gekennzeichnet, geimpft und gesund sein (v.a. Tollwutimpfung, gültig ab 12 Wochen + 21 Tage).
  • Bei gewerblichem Handel (inkl. vieler Tierschutzvermittlungen) gelten strengere Vorschriften, u.a. Registrierung, Gesundheitsbescheinigung und TRACES-Meldung (Datenbank für Tiertransporte).
  • Die zuständigen Veterinärämter müssen die Einfuhr überwachen.

Organisationen, die dies missachten, machen sich strafbar – doch nicht alle Kontrollen greifen konsequent.


🤝 Zwischen den Extremen: Ein verantwortungsvoller Mittelweg?

Nicht alle Auslandstiervermittlungen sind unseriös – und nicht alle Kritik ist pauschal gerechtfertigt. Entscheidend ist die Transparenz und Seriosität der Organisationen:

✅ Vermittlung mit Vorkontrolle und Schutzvertrag
✅ Tierärztliche Versorgung und Verhaltensanalyse vor Ausreise
✅ Keine Vermittlung „vom Transporter in den Garten“
✅ Kastration und Aufklärung über die Herkunft

Gleichzeitig sollten Adoptierende sich intensiv vorbereiten, realistische Erwartungen haben – und offen für Alternativen aus dem Inland sein. 


🔍 Fazit: Retten ja – aber mit Weitsicht

Die Rettung von Tieren aus dem Ausland kann ein Akt der Mitmenschlichkeit sein – wenn sie verantwortungsvoll, legal und nachhaltig erfolgt. Doch sie darf nicht auf dem Rücken anderer Tiere, Tierheime oder überforderter Familien stattfinden.

Was bleibt, ist der Appell:

  • an Organisationen: seriös zu arbeiten
  • an Politik: europaweit den Tierschutz zu verbessern
  • an uns alle: Adoption als langfristige Verantwortung zu begreifen

Über Victoria v. Holtzapfel

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