Anders als Tiere, die direkt vom Züchter oder aus privaten Haushalten erworben werden, haben die meisten Tierheimbewohner eine oder sogar mehrere Vorgeschichten mit im Gepäck, die spezielle Aufmerksamkeit erfordern. Insbesondere bei Streunern gilt ein besonderes Augenmerk sowohl auf ihre psychische als auch die körperliche Gesundheit zu richten. Zwar wird es keine offensichtlichen Wunden zu versorgen geben, da sich die Tiere im Tierheim schon in ärztlicher Behandlung befinden, sollte dieses notwendig sein, aber einige Verletzungen mit Langzeitfolgen und allem voran seelische Verletzungen brauchen Zeit und Vertrauen, um vollends zu heilen.
1. Tierärztliche Erstuntersuchung: Der Schlüssel zur Gesundheit
Sobald die Entscheidung gefallen ist, einem Streuner ein neues Zuhause zu geben, sollte der erste Weg nach der Adoption oder gar nach dem eigenständigen Auflesen auf der Straße zum Tierarzt führen. Dort kann zunächst einmal festgestellt werden, ob das Tier nicht ggf. Doch eine:n Besitzer:in hat, welcher mittels eines Chiplesers ausgelesen werden kann – vorausgesetzt das Tier ist registriert und mit einem solchen Chip versehen. Ehemalige Streuner haben häufig keine oder nur lückenhafte Gesundheitsvorsorge erhalten. Die folgenden Untersuchungen sollten daher dringend durchgeführt werden, um einen ganzheitlichen Überblick des Gesundheitszustandes des Tieres zu erhalten:
- Allgemeine Gesundheitsprüfung: Kontrolle von Zähnen, Ohren, Fell und Haut auf Verletzungen, Parasiten oder Krankheiten
- Bluttests: Streuner sind häufig von Infektionskrankheiten wie FIV (Katzenaids) oder FeLV (Leukämie bei Katzen) sowie an Anaplasmose oder Babesiose bei Hunden betroffen. Diese können beispielsweise durch Zecken übertragen werden.
- Parasitenkontrolle: Studien zeigen, dass bis zu 80 % der Streuner Parasiten wie Würmer oder Flöhe mit sich tragen, was nicht nur für das Tier selbst, sondern auch für andere Haustiere und Menschen im Haushalt ein Gesundheitsrisiko darstellen kann. Gerade bei Streunern ist der Befall weit verbreitet, weshalb eine Entwurmung und gegebenenfalls eine Flohbehandlung generell empfehlenswert ist.
Grundsätzlich und bei allen Tieren gilt: Die gesundheitliche Betreuung endet nicht mit der Erstuntersuchung. Regelmäßige Kontrollbesuche beim Tierarzt sind entscheidend, um die Lebensqualität langfristig zu sichern. Dazu zählen sowohl Routineuntersuchungen als ganzheitlicher Check-up, die mindestens einmal jährlich stattfinden sollten, als auch fokussierte Untersuchungen zu bestimmten Problembereichen, wie bspw. die Zahnpflege.
2. Impfungen aktualisieren
Auch wenn die Tierheimtiere bei ihrer Ankunft im Heim generell einmal durchgecheckt werden, kann dies nicht die gründliche Nachsorge bei einem Tierarzt ersetzen. Viele Tierheimtiere haben keine vollständigen Impfaufzeichnungen, weshalb der Tierarzt im Regelfall einen Impfplan erstellen wird, der folgende Schutzimpfungen umfassen sollte:
- Für Hunde: Tollwut, Staupe, Parvovirose, Leptospirose und Hepatitis
- Für Katzen: Katzenschnupfen, Katzenseuche und Tollwut
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kann eine Impfung gegen Tollwut auch das Risiko für den Menschen minimieren, da Streuner in Ländern mit hoher Tollwut Rate oft Überträger sind.
3. Verhaltensbedingte Gesundheit beachten
Aufgrund ihrer oft nicht selten traumatischen Vergangenheit ist es gerade bei ehemaligen Streunern wichtig, auf Anzeichen von Stress oder Angst zu achten, da diese sich auf die körperliche und seelische Gesundheit auswirken können. Die Symptome können dabei je nach Tier und dessen Hintergrundgeschichte unterschiedlich ausfallen. Auffällig sind vor allem Appetitlosigkeit, übermäßiges Putzen (bei Katzen) oder destruktives Verhalten (bei Hunden).
Um den Tieren das Gefühl von Sicherheit zu geben, ist es besonders wichtig ihnen einen sicheren Rückzugsort zu schaffen und ihnen viel Geduld und Verständnis entgegenzubringen. Die zusätzliche Nutzung von Pheromon-Sprays oder Nahrungsergänzungsmittel kann darüber hinaus nützlich sein, um den Stress weiter zu reduzieren. Es kommt nicht von ungefähr, dass viele der Anschaffung von Tieren aus dem Tierheim skeptisch gegenüberstehen. Laut einer Studie der „American Veterinary Medical Association“ benötigen etwa 40% der Tierheimtiere mit Verhaltensproblemen spezifisches Training oder therapeutische Unterstützung. Dennoch, auch diese – oder sollte man vielleicht besser sagen – gerade diese Tiere haben eine zweite Chance verdient. Mit genügend Geduld und Zuwendung, werden Sie und Ihr neuer Mitbewohner oder Ihre neue Mitbewohnerin garantiert einen Weg zueinander finden. Nur Mut! Wer nicht wagt, der nicht gewinnt…
4. Ernährung: Vom Mangel zur Balance
Als Streuner sind die Tiere auf der Straße meist auf sich alleine gestellt und fressen, was auch immer sie finden können, weshalb viele von ihnen oft unterernährt sind. Ziel ist es, sie daher langsam an eine gesunde und ausgewogene Ernährung zu gewöhnen. Hierbei ist es essentiell, dass diese Umstellung möglichst schonend durchgeführt wird, da eine plötzliche Änderung der Ernährung zu Verdauungsproblemen führen könnte. Zu Beginn ist daher ein leicht verdauliches Futter zu empfehlen. Eine Untersuchung der Universität von Edinburgh zeigt, dass Streuner oft einen Mangel an essentiellen Fettsäuren, Vitaminen und Proteinen haben, was zu schlechter Fellqualität und geringerer Immunabwehr führt.Durch die ggf. vorliegende Unterernährung können Vitamine oder Nahrungsergänzungsmittel notwendig sein, wenn Mangelerscheinungen festgestellt wurden. Sprechen Sie hierzu am besten mit Ihrem Tierarzt oder Ihrer Tierärztin und lassen Sie sich einen Fütterungsplan erstellen.
5. Soziale Eingewöhnung: Zeit und Geduld
Neben der körperlichen ist auch die emotionale Gesundheit des Tieres essentiell dafür, dass es sich gut in seinem neuen Zuhause einfinden kann. Studien belegen, dass Tiere, die in einer stressfreien Umgebung leben, weniger anfällig für Infektionen und chronische Erkrankungen sind. Dabei gilt zu beachten: nur weil das Tier von nun an nicht mehr auf der Straße oder im Tierheim leben muss, heißt es noch lange nicht, dass es sich automatisch entspannen kann. Die Eingewöhnung in ein neues Zuhause kann für Streuner stressig sein, daher ist es besonders wichtig dem Tier Zeit zu geben, seine oder ihre neue Umgebung im eigenen Tempo zu erkunden. Feste Routinen oder regelmäßige Rituale wie Fütterungszeiten oder Spielen können dabei Sicherheit und Orientierung geben.
Fazit
Es ist sicherlich nicht der leichteste Weg und er wird viel Geduld und Kraft von Ihnen abverlangen, jedoch am Ende ist die Adoption eines ehemaligen Streuners eine lohnende Aufgabe. Die im Vorfeld genannten Verhaltensempfehlungen und Gesundheitstipps werden Ihnen dabei helfen, Ihrem neuen Begleiter oder Ihrer neuen Begleiterin ein glückliches und gesundes Leben zu ermöglichen. Und sein Sie versichert, dass im Umkehrschluss das Tier auch Ihr Leben auf eine vielfältige Weise bereichern wird.
Haben Sie bereits einen ehemaligen Streuner adoptiert und Lust darüber zu berichten, um ggf. auch anderen Mut zu machen, diesen Weg zu beschreiten? Teilen Sie Ihre Erfahrungen in den Kommentaren!