Unreitbar: Verantwortung auch ohne Sattel weitertragen

Das Leben mit einem Pferd bietet zahlreiche Glücksmomente. Wir lernen unseren Vierbeiner besser kennen und erleben unzählige kleine oder größere Abenteuer. Für viele Pferdemenschen finden solche Momente auch im Sattel statt. Das Pferd als Reittier prägt die Haltungskultur ungemein. Umso trifft es daher manchen Pferdebesitzer, wenn der Tierarzt die Diagnose ausspricht, dass ein Pferd nicht mehr geritten werden soll und somit als unreitbar gilt. Dies verändert den Alltag und die Zukunft eines bisherigen Reitpferdes definitiv und es werden Umstellungen nötig. Auch für den Menschen kann dies eine emotionale Diagnose sein. Denn oft hängt nicht nur viel Zeit, sondern auch Herzblut an der Vorstellung vom Reiten, vom gemeinsamen Unterwegssein, vom harmonischen Miteinander im Sattel. Doch auch wenn sich mit dieser Diagnose vieles verändert – es ist nicht das Ende der Beziehung. Es kann vielmehr der Anfang eines neuen, vielleicht noch intensiveren gemeinsamen Weges sein.

Was bedeutet „unreitbar“ wirklich?

Wenn ein Pferd als unreitbar gilt, heißt das auf keinen Fall, dass es nicht mehr aktiv am Leben teilhaben darf oder dass es gar nicht mehr „gebraucht“ wird. Vielmehr geht es darum, Schmerzen oder Überlastung zu vermeiden. Gründe dafür können vielfältig sein und reichen von chronischen Erkrankungen, akute Verletzungen bis hin zu altersbedingten Einschränkungen. Manche dieser Diagnosen kommen schleichend, andere überraschend. Aber immer ist es wichtig, sich klarzumachen: Diese Entscheidung dient dem Wohl des Pferdes und das steht immer und in jedem Fall an erster Stelle.

Gefühle zulassen und neue Wege finden

Es ist völlig legitim, erst einmal traurig, enttäuscht oder sogar wütend zu sein. Vielleicht war das Reiten über Jahre ein fester Bestandteil des eigenen Lebens, als Ort, an dem man aufatmen konnte, sich verbunden fühlte. Nun verändert sich dieser Teil.

Doch gerade hier beginnt eine neue Chance: die Beziehung zum Pferd auf einer anderen Ebene zu vertiefen. So zeigt ein aktueller Social Media Trend, der betonen soll, dass es bei allen Leistungen und Errungenschaften doch eigentlich immer nur um die innige und vertraute Freundschaft zwischen Mensch und Pferd gehen soll. Eine gemeinsame Beziehung ist schließlich eigentlich der große Punkt, aus dem sich die viele Pferdebesitzer für das Tier entscheiden. Denn Pferde sind unsere Freunde, keine Sportgeräte. Und dieses Verhältnis geht doch den Wegfall des Reitens schließlich nicht verloren.

Was auch für unreitbare Pferde möglich ist

Auch bei unreitbaren Tieren gibt es viele Wege, die Verbindung zum Pferd zu pflegen und sinnvoll zu gestalten. Wichtig ist dabei, auf die individuellen Möglichkeiten und Bedürfnisse des Tieres einzugehen und sich hierbei bei Unsicherheit auch fachlichen Rat einzuholen.

Was jedoch jedem Pferd noch ohne größere Probleme möglich sein sollte:

  • Spaziergänge an der Hand auf gut begehbaren Wegen
  • Ruhige Bodenarbeit: Kleine Übungen fördern Vertrauen, Konzentration und Kommunikation.
  • Zirkuslektionen oder Freiarbeit: Kreative Beschäftigung, die dennoch Körper und Geist fordert
  • Kuscheleinheiten & Pflegezeit: Gemeinsam zur Ruhe kommen und Nähe zulassen.

Was braucht das Pferd jetzt?

Neben einer passenden medizinischen Versorgung ist es oft auch sinnvoll, die Haltung zu überdenken. Unreitbare Pferde profitieren häufig von einer Umgebung, in der sie sich frei bewegen, soziale Kontakte pflegen und entspannt leben können.

  • Ruhe und Struktur geben Sicherheit.
  • Sozialkontakt zu anderen Pferden ist essenziell – vielleicht jetzt mehr denn je.
  • Bewegungsanreize, angepasst an die gesundheitlichen Möglichkeiten, erhalten Lebensfreude.

Verantwortung weitertragen – Herausforderungen annehmen

Natürlich ist es verständlich, dass auch finanzielle oder organisatorische Fragen aufkommen. Die Versorgung eines Pferdes kostet Zeit, Geld und oft auch emotionale Kraft. Wichtig ist, sich frühzeitig mit diesen Themen auseinanderzusetzen, ohne Schuldgefühle, sondern sachlich mit Blick auf das, was dem Tier am besten dient.

Der Moment, in dem man erfährt, dass das eigene Pferd nun unreitbar ist, verändert vieles. Aber er schmälert nicht die Beziehung – im Gegenteil. Jetzt kann etwas Neues entstehen: eine Freundschaft, die sich nicht über Leistung definiert, sondern über Vertrauen, Geduld und gemeinsames Wachsen.

Vielleicht wird aus dem Reitpferd ein Spaziergeh-Freund, ein neugieriger Spielpartner oder einfach ein liebevoller Begleiter am Weidezaun. Eines bleibt sicher: Für das Pferd zählt vor allem eins – dass sein Mensch bleibt. Mit Liebe, mit Respekt, mit der Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Und das ist oft mehr wert als jede reiterliche Leistung es je sein könnte.

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Über Beate Glötzl

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