Pferde sind äußerst soziale Tiere. Sie leben in Gemeinschaften, beobachten einander genau und bauen über die Zeit enge Bindungen auf, sowohl zu ihren Artgenossen als auch zu uns Menschen. Wenn dann eines ihrer Herdenmitglieder plötzlich fehlt oder ihre vertraute Bezugsperson nicht mehr da ist, kann sie das innerlich stark aus der Bahn werfen. So ein Verlust, durch Umzug, Trennung oder auch den Tod, gehört zu den emotional herausforderndsten Erlebnissen für ein Pferd. In dieser Phase sind wir als Menschen besonders gefragt: als ruhiger Anker, aufmerksamer Zuhörer und Begleitperson
Wie Pferde Trauer über Verluste zeigen
Jedes Pferd geht anders mit dem Verlust um. Manche ziehen sich still zurück, andere wirken unruhig und rufen oder suchen nach dem verschwundenen Freund. Typische Anzeichen, die auf Trauer oder emotionalen Stress hindeuten können:
- Weniger Appetit
- Apathisches oder unruhiges Verhalten
- Vermehrtes Wiehern oder Suchen
- Verminderte Motivation beim Training
- Auffällige Veränderungen im Sozialverhalten
Natürlich kann es auch andere Gründe für solches Verhalten geben. Doch wenn bereits bekannt ist, dass ein enger Gefährte fehlt, lohnt sich ein genauer Blick und vor allem viel Verständnis und Geduld.
Wenn ein Pferdefreund geht
Ob ein Herdenmitglied verstorben ist oder durch einen Umzug fehlt: Zurück bleibt ein Pferd, das sich neu orientieren muss. Die Welt, wie es sie kannte, ist für das Tier erst einmal nicht mehr dieselbe.
Was jetzt hilft:
- Strukturen beibehalten: Feste Abläufe geben Halt und Orientierung.
- Zeit schenken: Schon gemeinsames Putzen oder ein Spaziergang wirken oft beruhigend.
- Nichts erzwingen: Manchmal hilft es, einfach da zu sein – ohne Erwartungen.
- Leichte Aufgaben anbieten: Bodenarbeit oder ruhige Übungen können mental stärken.
- Neue Freundschaften ermöglichen: Sofern möglich, langsam wieder sozialen Anschluss fördern.
- Selbst Ruhe ausstrahlen: Pferde spüren Stimmungen sehr genau. Wer ruhig und klar bleibt, vermittelt Sicherheit.
Gerade in dieser Phase ist weniger oft mehr. Druck, ständige Veränderungen oder hektische Aktivitäten können das Pferd zusätzlich stressen. Viel wertvoller ist ein Mensch, der mit Einfühlungsvermögen und Stabilität begleitet.
Verlust einer Bezugsperson
Mindestens genauso herausfordernd ist es für ein Pferd, wenn plötzlich der Mensch verschwindet, dem es vertraut hat – etwa durch einen Besitzerwechsel oder längere Abwesenheit. Die Beziehung zu einem Menschen kann für ein Pferd ebenso bedeutungsvoll sein wie die zu einem Artgenossen. Dieser Verlust kann sich in Verunsicherung, Rückzug oder Unruhe zeigen.
An der Stelle ist jetzt die neue Bezugsperson gefragt und zwar nicht als Ersatz, sondern als Partner für eine neue Freundschaft

So gelingt ein behutsamer Neuanfang:
- Geduld zeigen: Vertrauen wächst langsam und kann nicht erzwungen werden.
- Beobachten lernen: Körpersprache, Reaktionen und Gewohnheiten des Tieres beobachten
- Verlässlich sein: Klare Regeln, eine ruhige Stimme, ein konsistentes Verhalten schaffen Sicherheit.
- Rituale etablieren: Gemeinsame Zeiten wie Füttern oder Spaziergänge fördern die Bindung.
- Nicht vergleichen: Die frühere Bezugsperson hatte ihren Platz – jetzt darf Neues entstehen.
- Bei Unsicherheiten Hilfe holen: Ein erfahrener Trainer oder Verhaltensberater kann den Übergang begleiten.
In den ersten Wochen geht es nicht um Leistung oder Trainingserfolge. Es geht darum, emotional zueinanderzufinden – mit Respekt und Offenheit.
Verluste lassen sich nicht vermeiden – aber mitfühlend begleiten
Ob Pferdefreund oder Mensch: Der Verlust eines wichtigen Gefährten hinterlässt Spuren. Pferde spüren diese Lücke deutlich – manchmal still, manchmal sehr sichtbar. Unsere Aufgabe ist es, ihnen die nötige Zeit zu geben, sie zu begleiten und dabei mit Ruhe, Wärme und Verlässlichkeit für Orientierung zu sorgen.
Pferde sind erstaunlich anpassungsfähig. Wenn sie sich verstanden und sicher fühlen, können sie sogar aus Krisen gestärkt hervorgehen. Und wir Menschen? Wir dürfen uns in solchen Momenten daran erinnern, dass Beziehung mehr zählt als Perfektion – und dass echtes Vertrauen in schwierigen Zeiten wächst.
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