Vor einigen Tagen erschien der neuste Bericht von Stiftung Warentest zu Hundefeuchtfutter. 30 Nassfuttersorten wurden getestet. Nur jedes dritte Hundefutter kann nach diesem Test den Bedarf eines durchschnittlichen, erwachsenen Hundes abdecken. Die anderen fallen durch.
Ein Tierarzt kommentiert, weshalb er die Aussagekraft des Tests für Hundefutter für fraglich hält:
Thema HUNDEFUTTER – heiß und emotional diskutiert…
Kaum ein Thema in der Tiermedizin hat ein derart großes Polarisationspotential wie die Ernährung vom besten Freund des Menschen:
Ein vor knapp 4 Tagen erschienener Hundefutter-Test im aktuellen Heft der STIFTUNG WARENTEST wird die Diskussion mit Sicherheit weiter anheizen…
Allerdings sind im Artikel ein paar kleinere ‚Schnitzerchen‘ zu finden:
Was ich bisher noch im keinem Test der Stiftung erlebt habe war das Drücken auf die Tränendrüse [dem geliebten Hund „Funi“ eines besorgten Frauchens schmerzten plötzlich die Pfoten. Die Therapie mit Schmerzmitteln habe versagt, so dass der behandelnde Tierarzt später einen Mangel an Kalzium und Phosphor diagnostizierte. Das Frauchen stellte enttäuscht fest, dass das doch alles im Futter stecken müsse…]
Nur am Beispiel zweier getesteter Produkte sollte für jeden ersichtlich sein, dass die Futtermittel hier nicht nach gut bis schlecht aufgelistet wurden, sondern lediglich entsprechend der doch recht engen und darüber hinaus alltagsuntauglichen Testkriterien:
Das Produkt ‚Pedigree Pastete mit 5 Sorten Fleisch‘ gehört mit seiner Endnote 1,2 zu den Gewinnern. Dabei enthält es gerade mal 4% Fleisch mit einem Gesamt-Protein von lediglich 7%. Damit liegt es eiweiß-technisch im Bereich einer Nierendiät!?! Aber warum die fünf verschiedene Fleischquellen enthalten sind erschließt sich mir nicht (bei ja gerade mal 4% Anteil) – dadurch bietet es nämlich ein extrem breites Allergenpotential. Geschmacksverstärker, Farbstoffe u.ä. lassen wir mal ganz außen vor…
Das getestete ‚Terra Canis mit Huhn, Amaranth & Basilikum‘ hingegen zählt laut diesem Test zu den Verlierern – es erreichte eine Endnote von 5,0. Dabei sind hier durchschnittlich 60% Fleisch und max. 10% Getreide enthalten! Die Note kommt durch einen im Labor festgestellten Mangel des Produkts an Vitamin A, B1, D2/3 zu Stande. Aha…
Bei all diesen gemessenen Nährstoffen wurde der Bedarf experimentell am Beispiel eines 15kg Modellhundes berechnet.
Dabei wurde beispielsweise eine Überversorgung mit Vitamin A in einem Produkt als unproblematisch deklariert (die deswegen erwähnte Studie bezieht sich lediglich auf Hunde im Wachstum) – daher stimmt diese Aussage leider hinten und vorne nicht.
Der tägliche Calciumbedarf ist mit dem 3-fachen des Menschen angegeben – das stimmt zwar, aber nur bei einem erwachsenen Hund in gleicher Gewichtsklasse… Entsprechend weicht der Bedarf bei kleineren Hunden, trächtigen (8-fach) oder gar säugenden (21-fach) Hündinnen stark davon ab und kann daher eigentlich schlecht gemittelt bzw. verallgemeinert werden. Dadurch könnte keines der angegebenen Futtermittel JEDEN erwachsenen Hund ausreichend mit Calcium versorgen.
Obwohl es darüber hinaus noch ein paar weitere ‚Unklarheiten‘ gab verzichte ich hier mal darauf weiter ins Detail der Ernährungsphysiologie abzuschweifen.
In mehreren test-Kommentaren wird bemängelt dass einige der gestesteten Futtermittel nicht für Welpen geeignet seien… Ja und? Steht doch auch garnicht auf der Dose!
Es gibt einfach kein Rundum-Sorglos-Fertigfutter welches alle Altersklassen gleichzeitig abdeckt – geschweige denn bezogen auf alle Rassen vom Pinscher bis zum Wolfshund!
Dass im kleinen Absatz des Anhangs das Thema BARF im kurzen Anriss als bedenklich und schwer realisierbar abgestempelt wird wundert übrigens auch.
Die vegetarische Fütterung wird als möglich beschrieben – naja, einen Hund fleischlos zu ernähren ist schon ein bisschen gaga, oder etwa nicht? Typische Form der Vermenschlichung…
Dieser Test gibt eigentlich einen recht breit gefächerten Überblick über die aktuell gängisten und bekanntesten Futtermittel bzw. Hersteller.
Aber warum wurden keine Produkte von beispielsweise Royal Canin gestetet? Ist doch sonst omnipräsent…
Die Ernährung von Haustieren ist deutlich diffizieler als es ein 8-seitiger Test unter die Lupe nehmen könnte. Jeder Hund ist anders und genauso verschieden sind der Bewegungsdrang wie auch der Nährstoffbedarf jedes Hundes…
Was mir allerdings bei diesem Test besonders aufstößt ist die Tatsache, dass dem geneigten Leser suggeriert wird dass die in diesem Test besten Futter auch uneingeschränkt für ihren Hund empfehlenswert sind. Dem ist definitiv nicht so!
Und last but not least: Wer füttert seinem Hund NUR sein Futter zu den jeweiligen Mahlzeiten und NICHTS nebenher??? Mir fällt da, auch nach längerem überlegen, niemand ein!
Somit ist das Wort Alleinfuttermittel in meinen Augen eh antiquiert und überholt…
Und was mich als Tiermediziner besonders neugierig macht ist Folgendes:
Wo sind die im Artikel erwähnten ernährungsbedingt erkrankten Hunden? Zum einen die lahmenden Hunde wegen Kalzium- u./o. Phosphormangel sowie die Tiere mit morschem Kiefer und fehlender Beißkraft (ebenfalls durch Kalzium-Mangel)???
Ich möchte mit diesen paar Zeilen keinesfalls die Richtigkeit der labordiagnostischen Untersuchungen kritisieren oder hinterfragen. Allerdings bin ich mit der Auslegung bzw. Interpretation der Befunde etwas unzufrieden, da in meinen Augen verschiedene Kriterien anders zu werten sind – z.B. Fleischanteil höher als die Eignung für Welpen.
Tierarzt Sebastian Goßmann-Jonigkeit